Ein Automat aus Amerika wird die Arbeit der Glasmacher übernehmen, präziser, schneller und billiger als es die „Püster“ in der Gerresheimer Glasfabrik je vermöchten. Die patentierte und Glasflaschen produzierende Maschine wird die Tage der Glasbläser neu definieren, nicht mehr einteilen in Malochen und Schlafen, Stumpfsinn und Feiern. Sie wird auch jeden Gedanken an Streik und subversive Machenschaften erübrigen. Es wird nur noch Glas geben als ununterbrochene und profitable Reproduktion von Glas. Kein Platz mehr für einen hochqualifizierten Berufsstand, keine Rebellion, nur noch die Wahl im blanken Elend zu verweilen oder auszuwandern. An diesen Zwängen zerbricht eine Liebesgeschichte, welche die Handlung durchzieht und zusammenhält. Im Angesicht der mächtigeren und rücksichtslos ökonomisch denkenden Herren ist sie zum Scheitern verurteilt.
In einfühlsamer Sprache entwickelt die Autorin das Schicksal der Glasarbeiter in der Zeit des vorigen Jahrhunderts und lange bevor die Gegenwart auch die Gerresheimer Fabrik überrollt hat. Es ist der nüchterne Blick in die Trostlosigkeit, der Blick in den Abgrund, der den Leser fesselt bis zur letzten Seite. Dorothee Krings ist ein Roman gelungen, der keine Lösungen bietet, dafür den Blick konsequent auf ein dekadentes Kapitel der Industrialisierung lenkt. Vom Fortschritt bleibt die Erkenntnis: So musste es kommen, da keine kreativen Impulse aus den Widersprüchen hinausführen. Ein sehr aktueller, man möchte fast sagen zeitloser, Roman.
Dorothee Krings, Tage aus Glas, Hamburg, 2025. Geb., 320 S. ISBN 978-3-365-00917-8. Preis: 24 EUR